Fototechnik

Warum im RAW Format fotografieren?

Kirche Mario Botta Mogno TI, Nikon D5300, Tokina f/2.8 11-16 mm, 16 mm KB, 1/4s, f/8, ISO 100, Stativ, Spiegelvorauslösung, HDR-Bild mit Photomatix aus vier unterschiedlichen Belichtungen

Warum im RAW-Format fotografieren - Kirche Mario Botta TI

Warum im RAW-Format fotografieren? Diese Frage stellen sich alle, die sich schon eine Weile mit digitaler Fotografie befassen. In diesem Artikel zeige ich Ihnen, welche Vorteile das RAW-Format oder das digitale Negativ bietet und welche Nachteile daraus entstehen können.

Warum im RAW-Format fotografieren?

Als digitales Negativ bezeichnen wir das rohe, unverarbeitete Digitalbild. Im Gegensatz zu den JPG-Dateien, welche durch die Kameraelektronik verarbeitet, speziell berechnet und komprimiert werden, speichert die Kamera RAW-Bilder praktisch ohne Bearbeitung auf dem Speicherchip ab.

Hintergrund ist, dass jeder Pixel, bzw. die Fotodiode, nur Helligkeitswerte speichern kann. Deshalb werden auf die lichtempfindlichen Dioden in der Regel Farbfilter gelegt: 50% der Pixel erhalten einen grünen und je 25% einen roten und blauen Filter (Bayerfilter).

Digitale Negative lassen eine grössere Farbtiefe und feinere Helligkeitsabstufungen zu. Die Nachkorrektur von Bildern erreicht eine deutlich höhere Qualität als bei JPG-Bildern. Der Dynamikumfang ist deutlich grösser. Das Bild unten wäre im JPG-Format ohne Belichtungsreihen und HDR-Zusammenfügung undenkbar.

Rohrspitz - Abendstimmung am Bodensee
Rohrspitz – Abendstimmung am Bodensee, Nikon D750, Tamron f/2.8 15-30 mm, 15 mm KB, 1/160s, f/11, ISO 100, HDR-Bearbeitung Lightroom

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RAW Format und digitales Negativ

Hochhausfassade in St. Gallen spiegelt sich - digitales Negativ
Spiegelung in Fassade, Nikon D5300, Nikkor f/4.5-5.6 55-300 mm, 330 mm KB, 1/750s, f/8, ISO 100

Das Sujet fotografierte ich im RAW-Format und entwickelte es in Lightroom. Dabei habe ich die Helligkeit um +0.3 EV angehoben, danach die Tiefen um +85 korrigiert. Die Klarheit habe ich um +14 und den Farbkanal blau um +15 angehoben.

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Warum im RAW-Format fotografieren? Das digitale Negativ.

Vielleicht haben Sie schon einmal den Begriff digitales Negativ gehört? Mit dem digitalen Negativ bezeichnen wir eine Datei, in welcher die vom Bildsensor aufgenommene Licht- und Farbwerte praktisch ohne weitere Bearbeitung durch die Software der Kamera auf der Karte in einem Rohformat gespeichert wird.

RAW bedeutet roh, unverarbeitet. Genau genommen ist die im RAW-Format aufgenommene Datei jedoch kein Bild. Vielmehr enthält Sie lediglich die Farb- und Helligkeitswerte der einzelnen Pixel (genauer Grün-, Rot- und Blauwerte des Bayerfilters) und zusätzlich einige Informationen der Kamera. Deshalb müssen Sie diese Datei mit einem speziellen Konverter weiterverarbeiten, bevor Sie Ihren Freunden ein Bild per Mail schicken oder dieses danach im Web veröffentlichen können.

digitales Negativ - Viehschau
Viehschau Mörschwil: Nikon D750, Sigma f/2.8 70-200 mm, 200 mm KB, 1/350s, f/2.8, ISO 100

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JPEG oder RAW? Vergleich mit Kuchen backen…

Wenn Sie einen Marmorkuchen backen wollen, bereiten Sie die Zutaten nach einem Rezept vor. Sie nehmen also eine bestimmte Menge von Mehl, Butter, Eier, Zucker, Backpulver, Salz, Kakao usw.

Beim JPEG-Format übernimmt die Kamera die Einstellungen (das Rezept) für den Kuchen und bereitet damit die Kuchenmasse vor. Wenn Sie jetzt lieber etwas mehr Kakao in der Masse haben möchten, geht das folglich nur mit einem bestimmten Qualitätsverlust: Der Kuchen wird durch das zusätzliche Rühren weniger luftig.

Beim RAW-Format übernimmt die Kamera nur die Zutaten und speichert sie zusammen mit einem Rezept, den aktuellen Kameraeinstellungen, ab. Bei der Entwicklung des RAW-Formats haben Sie danach noch grossen Einfluss auf das Rezept: Soll ich etwas weniger Butter nehmen?  Dafür mehr Kakao? Ihre Vorschläge ergänzen dann das Rezept und der Teig wird nach Ihrem Gusto angerührt.

Aus den Zutaten und dem veränderbaren Rezept können Sie beim RAW-Format unendlich viele verschiedene Teigmassen anrühren, während bei JPEG-Format die Zutaten für eine einzige Masse bereitgestellt werden.

Gegenlichtaufnahme am Lago Maggiore in Ascona
Gegenlichtaufnahme am Lago Maggiore in Ascona, Nikon D5600, Sigma f/2.8-4 17-70 mm, 60 mm KB, 1/250s, f/16, ISO 180

JPEG – das Normalformat der Digitalbilder

Wenn Sie mit einer Digitalkamera Fotos knipsen, werden die Bilder im Normalfall als JPEG-Dateien gespeichert. In diesem Format sind die Bilder sofort verfügbar und Sie können diese wegen ihrer kleineren Dateigrösse auch perfekt per Mail versenden. Bei idealen Lichtbedingungen ist die Qualität von JPEG-Aufnahmen einer guten Kamera hervorragend. Aber JPEG-Dateien sind nie verlustfrei. Der Nachteil des JPEG-Formates sind jedoch die vielen automatisch ablaufenden Bearbeitungsschritte zwischen dem Fotografieren und dem Speichern des Digitalbildes. Die kamerainterne Software versucht immer, das Bild zu verbessern und speichert es dann, je nach Dateigrösse, mehr oder weniger komprimiert ab. Wenn Sie mit der Farbwahl und der Dynamik nicht zufrieden sind, können Sie danach diese Bilder innerhalb gewisser Qualitätsgrenzen korrigieren. Jede Korrektur und jeder Speichervorgang führt beim JPEG-Format zu einem mehr oder weniger grossen Datenverlust einzelner Pixel.

Während im RAW-Format die einzelnen Pixel einen Grün-, Blau- oder Rot-Wert haben (weitere Infos unter Bayer-Filter), sind im JPG-Format die einzelnen Pixel bereits einem endgültigen Farbwert zugeteilt. Dies geschieht durch das Interpretieren der benachbarten Pixelwerte. Zudem können RAW-Dateien nicht überschrieben werden. Das Original bleibt immer vorhanden und Sie ziehen – wie früher vom Original-Negativ – verschiedene Variationen von Ihrem Original.

Warum im RAW-Format fotografieren - Kirche Mario Botta TI - digitales Negativ
Kirche Mario Botta TI, Nikon D5300, Tokina f/2.8 11-16 mm, 21 mm KB, 1/15s, f/8, ISO 100, Stativ

Warum im RAW-Format fotografieren?

Wenn Sie die Möglichkeit haben, mit Ihrer Kamera Bilder im RAW-Format zu speichern, so sollten Sie unbedingt davon Gebrauch machen. Gute Kompaktkameras haben bereits die Möglichkeit, Spiegelreflexkameras und Systemkameras auf jeden Fall. Die digitalen Rohdateien bieten eine höhere Qualität und Sie haben deshalb viel mehr Möglichkeiten, Ihre Bilder nachträglich am Computer zu bearbeiten und zu korrigieren. So können Sie zum Beispiel die Farbtemperatur mit dem RAW-Konverter-Schieberegel nach Gutdünken nachträglich festlegen und müssen sich demzufolge darüber beim Fotografieren noch keine Gedanken machen.

RAW-Formate bieten einen deutlich besseren Dynamikumfang und präzisere Helligkeitsstufen. Das bedeutet folglich, dass die Übergänge zwischen weiss und schwarz feiner abgestuft sind.

  • RAW mit 12Bit = 2 hoch 12 = 4096 Helligkeitsstufen pro Kanal, total 68.7 Milliarden Farbtöne
  • JPEG mit 8Bit = 2 hoch 8 = 256 Helligkeitsstufen pro Kanal, total 16.7 Millionen Farbtöne

Das führt bei RAW-Bilder zu einer deutlich besseren Durchzeichnung der hellen und dunkeln Bildteile. So erhalten Sie besonders bei sehr schwierigen Lichtverhältnissen (grosse Kontraste, schlechtes Licht, Dunkelheit) oder bei Low-Key-Aufnahmen mit dem Bearbeiten des digitalen Negativs deutlich bessere Endergebnisse.

Allerdings muss man auch relativieren, dass das menschliche Auge um die 10 Millionen Farbtöne unterschieden kann und das JPG-Format diesen Wert schon deutlich überschreitet. ABER: Bei der Bearbeitung und Korrektur von RAW-Bildern kommt Ihnen diese grosse Farbtonreserve zugute.

RAW & JPEG im Vergleich

Damit Sie eine Entscheidungshilfe für das Thema „Warum im RAW-Format fotografieren“ haben, stelle ich die beiden Formate gegenüber:

  • Den Vorteil von RAW-Formaten kann man am besten in extremer Situation aufzeigen: Das Testbild habe ich bewusst mit 3 Stufen Unterbelichtung im RAW- und im JPEG-Fine-Format aufgenommen.
  • Das RAW-Format-Bild habe ich danach mit dem Photoshop Elements Editor korrigiert, wobei ich nur die Belichtung um drei Stufen ändern musste. Dann habe ich das Bild im JPEG-Format abgespeichert.
  • Das JPEG-Bild habe ich mit Photoshop Elements korrigiert. Zuerst musste ich die Belichtung erhöhen, dann die Farb- und Tonwerte einstellen.
  • Schon beim Vergleich der beiden korrigierten Bilder fällt auf, dass das RAW-Format (jeweils links im Bild) deutlich besser abschneidet.
Links korrigiertes RAW-Format - rechts korrigiertes JPG-Format - digitales Negativ
Links korrigiertes RAW-Format – rechts korrigiertes JPG-Format

Die grossen Qualitätsunterschiede werden bei einer Vergrösserung sehr deutlich sichtbar. Hier spielt das RAW-Format seine Trümpfe aus.

warum im RAw-Format fotografieren - Vergleiche Bildrauschen
Vergleich korrigiertes RAW-Format links, korrigiertes JPG Format rechts

Ausschnitt zeigt die Farbstörungen beim JPG-Format rechts sehr deutlich:

Vergleich korrigiertes RAW-Bild links, JPG rechts - digitales Negativ
Vergleich korrigiertes RAW-Bild links, JPG rechts

Gegenüberstellung JPG- und RAW-Format, das digitale Negativ

 

JPEG-Format RAW-Format
Foto direkt verfügbar zum Zeigen, Teilen oder Versenden Bild muss zuerst in einem Konverter entwickelt werden, höherer Zeitaufwand
Datei wird vor dem Speichern komprimiert,
kleinere Dateigrösse
24 Megapixel = 12 MB
Datei wird beinahe unverändert gespeichert,
mehr Speicherplatz nötig
24 Megapixel = 25-30 MB (kann im dng-Format beinahe ohne Verlust in kleinerer „RAW“-Datei gespeichert werden)
ist schneller gespeichert braucht zum Speichern etwas länger
bei drei Varianten in der Bildbearbeitung:
dreifacher Speicherplatz
bei drei Varianten in der Bildbearbeitung:
nur geringfügig mehr Speicher, Änderungen werden in Protokolldatei des Originalbildes geschrieben (wenige KB gross)
keine besondere Computer-Rechenleistung nötig zum Bearbeiten einer RAW-Datei (25 MB oder grösser) benötigen Sie einen leistungsfähigen Computer
leichte Korrekturen mit Bildbearbeitung möglich verlustfreie Korrekturen mit RAW-Konverter möglich, bis zu zwei/drei Stufen Unter- oder Überbelichtung korrigierbar
kleine Farbtiefe von 8 Bit (256 darstellbare Farben pro Kanal) grössere Farbtiefe von 12 oder 14 Bit (4096 oder 16’866 darstellbare Farben pro Kanal)
Bilder durch geringe Farbtiefe etwas flauer Bilder durch hohe Farbtiefe brillanter
weniger Zeichnungen in dunklen und hellen Bereichen deutlich mehr Zeichnungen in dunklen und hellen Bereichen
JPEG-Formate können direkt weitergegeben werden RAW-Formate vor der Weitergabe konvertieren / entwickeln
Weissabgleich, Farbtemperatur und Kontrast wird durch die Einstellung der Kamera vorgegeben Weissabgleich, Farbtemperatur, Kontrast und Belichtung können Sie verlustfrei am Computer korrigieren und anpassen, alle Schritte sind
wieder umkehrbar, Bearbeitungsschritte z.B. in Lightroom protokolliert
beste Qualität des Bildsensors ausreizen, RAW-Entwicklung am Computer genauer
kleiner Dynamikumfang grösserer Dynamikumfang
allgemeingültiges Speicherformat kameraspezifische (unterschiedliche) Speicherformate
 schnellere Serienaufnahmen möglich schnelle Serienaufnahmen begrenzt durch Puffer (grössere Bilddateien)
Überschreiben der originalen Datei möglich Überschreiben der originalen Datei nicht möglich
Objektiv Korrekturen nur kameraintern möglich (wenn überhaupt vorhanden) Objektiv Korrekturen von den meisten Objektiven möglich
In JPG nicht m̦glich aus RAW-Dateien mit neuer, KI basierter Software das beste herausholen (Detailtreue, Rauschminderung) РBeispiel: PureRAW 4
Fehler beim Fotografieren - Positionsänderung, Lampe bringt Gleichgewicht
Seepromenade in Brissago, Bild mit hohem Dynamikumfang

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Tipps für das Fotografieren im RAW-Format – das digitale Negativ

Helle Pixel enthalten mehr Bildinformationen
Helle Pixel enthalten mehr Bildinformationen

Vielfach können Sie das Speichern im RAW + JPG-Format wählen. So ist das JPG-Bild sofort verfügbar und Sie haben die Möglichkeit, allfällige Korrekturen danach am digitalen Negativ zu machen.
Belichten Sie im RAW-Format unter schwierigem Licht eher um 0.3 Stufen mehr (+0.3 EV). Helle Pixel enthalten viel mehr Informationen als dunkle und können folglich mit dem RAW-Konverter wieder angepasst werden. Schalten Sie jedoch die Warnung für eine Überbelichtung ein, damit die Pixel auf keinen Fall überstrahlt werden, also nur noch reines Weiss enthalten.

Denken Sie daran, dass das RAW-Format sehr viel Speicher benötigt, und sortieren Sie misslungene Bilder deshalb möglichst bald aus.

Situationen, die gegen die Verwendung von RAW sprechen

Wenn Sie in schnellen Serien Fotos machen möchten (Sport, Action…), ist Ihnen wichtiger, den richtigen Moment zu erwischen. Die RAW-Speicherung hingegen braucht deutlich mehr Zeit und Ressourcen. Deshalb fahren Sie in dieser Situation mit der feinsten JPG-Einstellung allenfalls besser. » Speicherkarten

Situationen, die klar für RAW sprechen – das digitale Negativ

Wenn Sie verschiedene Lichtquellen antreffen, bietet RAW den Vorteil, dass Sie den korrekten Weissabgleich danach am PC vornehmen können. Gleiches gilt bei schnell wechselndem Licht.

Situationen mit hohem Dynamik-Umfang – zum Beispiel Schatten und Gegenlicht – sprechen ebenfalls klar für die Verwendung von RAW.

» Camera RAW Anleitung

Explorer zeigt RAW-Format nicht an

Damit die RAW-Formate im Windows-Explorer angezeigt werden können, benötigen Sie bis und mit Windows 7 das Zusatz-Programm Kamera Codec. Das erhalten Sie auf der Webseite des Herstellers kostenlos. Photoshop Elements kommt mit dem Rohformat im Organizer klar und hat einen integrierten RAW-Konverter in abgespeckter Form. Das grosse Photoshop hat eine mächtigere Camera RAW-Engine, das Programm Lightroom einen mächtigen, integrierten.

Für das kostenlose Programm GIMP nehmen Sie zum Entwickeln die Kamera eigene Konvertierung oder Sie erweitern Ihr GIMP mit dem Plugin UFRaw.

» UFRaw 0.18 in Gimp 2.8 installieren

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Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Überblick geben und zeigen, welche Vorteile Sie beim Fotografieren im RAW-Format haben können.

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Das beste aus Ihren RAW-Bildern herausholen:

» Negativ Effekt in Lightroom

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