Fototechnik

Hyperfokale Distanz

Grosse Schärfentiefe mit Smartphone-Kamera: Huawei P20 Pro, 27 mm KB

Hyperfokale Distanz Herbstlandschaft

Wenn Sie fotografieren, gibt es Motive, die Sie vom Vordergrund bis zum Hintergrund gerne scharf haben möchten. Zum Beispiel ein Landschaftsmotiv. Hier kommt das Konzept „hyperfokale Distanz“ zum Einsatz. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, wie das funktioniert.

Hyperfokale Distanz oder Hyperfokaldistanz

Mit dem Begriff hyperfokale Distanz oder Hyperfokaldistanz wird die Entfernung zwischen der Kamera und einem Fokussierpunkt bezeichnet, welche zur grösstmöglichen Schärfentiefe führt. Die hyperfokale Distanz ist vom Kamera-Sensor, der Brennweite und der gewählten Blende abhängig.

Fokussieren Sie auf den berechneten Punkt (1), so ist der Bereich von der halben Hyperfokaldistanz (2) bis unendlich akzeptabel scharf abgebildet. Die ist die maximal mögliche Schärfentiefe (3) mit dem verwendeten Equipment.

halbe hyperfokale Distanz
1: fokussierte Schärfeebene, 2: halbe hyperfokale Distanz, 3: Ausdehnung der Schärfentiefe

Wunder dürfen Sie damit nicht erwarten: Es gibt physikalisch nur eine exakte Schärfeebene (1). Je weiter weg sich Objekte von der fokussierten Schärfeebene befinden, desto mehr verlieren sie an Schärfe. Je nach Betrachtungsdistanz nehmen unsere Augen eine leichte Unschärfe nicht mehr wahr. In diesem Toleranzbereich bewegt sich die akzeptierte Schärfe – die Schärfentiefe.

Unscharfe Landschaftsaufnahmen

Vielleicht haben Sie bereits die Erfahrung gemacht, dass bei einer Landschaftsaufnahme zwar der Vordergrund scharf, die Bäume im Hintergrund jedoch bereits eine störende Unschärfe aufwiesen. Und das, obwohl Sie mit einem Weitwinkelobjektiv und einer kleinen Blende von f/11 für eine ausgedehnte Schärfentiefe fotografiert haben.

Vermutlich haben Sie auf einen zu nahen Punkt scharf gestellt. Damit ging ein Teil der Schärfentiefe im Hintergrund verloren.

Skyline Ascona
Ascona, Nikon D750, Tamron f/2.8 15-30 mm, 24 mm KB, 15s, f/16, ISO 400, Stativ

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Die hyperfokale Distanz in der Praxis

Bei Landschaftsaufnahmen ist es Ihr Ziel, Vorder- und Hintergrund möglichst scharf abgebildet zu haben, um Tiefe zu erzeugen. Von einer Tabelle, welche Sie ausdrucken können, lesen Sie ab, auf welche Distanz Sie ihr Objektiv bei einem gewissen Blendenwert scharf stellen müssen. Verwenden Sie ein Zoom-Objektiv, ist die Einstellung der aktuellen Brennweite massgebend.

Tabelle Hyperfokaldistanz Halbformatsensor
Tabelle Hyperfokaldistanz Halbformatsensor

Leider weisen viele moderne Objektive keine Entfernungsangaben auf dem Objektiv mehr auf. Sie müssen sich deshalb mit Vergleichsgrössen (Randsteine, Zaun, Blatt auf dem Boden…) zu helfen wissen. Oder mit der folgenden, einfachen „Daumensprungregel“:

Daumensprungregel als Alternative

Als Alternative kommt die Daumensprungregel in Frage: Strecken Sie Ihren rechten Arm aus und halten Sie den Daumen nach oben. Peilen Sie mit einem Auge einen Punkt an (1). Auge schliessen und das andere öffnen (2). Die Differenz in der Ferne schätzen und mit etwa 10 multiplizieren. So haben Sie die ungefähre Entfernung (3) zum erwähnten Punkt.

Daumenregel Distanz messen
Daumen ausstrecken, ein Auge schliessen, Punkt fixieren (1). Anderes Auge schliessen (2). Distanz von (1) zu (2) abschätzen, mit 10 multiplizieren gibt die ungefähre Distanz zum Objekt.

Hyperfokale Distanz in der Praxis

Bei einem 35 mm-Objektiv und Blende f/8 beträgt die hyperfokale Distanz zum Beispiel 7.7 m. Alles ab der halben hyperfokalen Distanz (3.85 m) bis unendlich ist akzeptabel scharf abgebildet.

Hyperfokale Distanz Grafik Halbformat
Hyperfokale Distanz, Halbformatsensor, 35mm, f/8

Falsche Fokussierung büsst Schärfentiefe ein

Wenn Sie mit dem gleichen Objektiv und gleicher Blende auf einen zu weit entfernten Punkt scharf stellen – was die automatische Schärfeeinstellung (Autofokus) macht – verlieren Sie einen grossen Teil der Schärfentiefe im Vordergrund. Stellen Sie aber auf einen Punkt scharf, der näher liegt als die hyperfokale Distanz, wird der Hintergrund eine gewisse Unschärfe aufweisen, die störend sein kann. Objektive gehen über den unendlich-Einstellpunkt hinaus, damit der Autofokus nicht anschlägt. So kann es passieren, dass Sie die falsche Schärfeebene erwischen.

Grafik unklare Fokussierung hyperfokale Distanz
schlechte Fokussierdistanz führt zu Schärfeverlust

Brennweite ist entscheidend

In einem Vergleich möchte ich Ihnen hier zeigen, wie sich die hyperfokale Distanz bei unterschiedlichen Brennweiten auswirkt:

Im ersten Beispiel habe ich ein Weitwinkelobjektiv von 18 mm und einer Blende von f/8.

hyperfokale Distanz bei 18mm Brennweite
Schärfentiefenbereich bei einer Brennweite von 18 mm, f/8

Im zweiten Beispiel nehme ich ein Objektiv der Brennweite 85 mm und die gleiche Arbeitsblende f/8.

hyperfokale Distanz bei 85mm Brennweite
Schärfentiefenbereich bei einer Brennweite von 85 mm, f/8

Der Vergleich zeigt, warum Weitwinkelobjektive für Landschaftsaufnahmen so beliebt sind. Mit einem 18 mm-Objektiv und Blende f/8 erhalten Sie bereits einen Bereich von 1 m bis unendlich, der akzeptabel scharf abgebildet wird.

Damit Sie sich nicht mit dem Taschenrechner bemühen müssen, habe ich einen Rechner für die hyperfokale Distanz bereit.

Wenn Sie unterschiedliche Brennweiten vergleichen möchten, rufen Sie die Tabellen mit den hyperfokalen Distanzen auf. Dort können Sie in den Spaltenüberschriften sechs verschiedene Brennweiten von 10 bis 300 mm eintragen. Zudem lassen sich die angepassten Tabellen anschliessend ausdrucken. So haben Sie die für Ihre Objektive wichtigen Daten immer dabei.

Die Werte der Tabellen eigenen sich für Kompositionen, welche eine möglichst grosse Schärfentiefe aufweisen sollen. Möchten Sie mit einem Weitwinkelobjektiv ein Objekt in einer gewissen Distanz, zum Beispiel 40 Meter, scharf abgebildet haben, so fokussieren Sie auf dieses Motiv.

» Tabelle hyperfokale Distanzen Kleinbildformat (Vollformat, KB – Kleinbild)

» Tabelle hyperfokale Distanzen Halbformat (Nikon: DX, Crop-Faktor 1.5)

» Tabelle hyperfokale Distanzen MFT-Sensoren (Crop-Faktor 2.0)

Praktisch sind Smartphone-Apps, mit denen Sie gleich vor Ort die hyperfokale Distanz berechnen können: PhotoPills oder Photographer’s companion (Google Play oder Apple Store) und andere.

Mit Stativ auf der sicheren Seite

Nun ist es für Sie sicher klar, warum viele Landschafts-Fotografen und Fotografinnen ihr Stativ dabeihaben: Nur so sind Sie bei allen Lichtverhältnissen flexibel und können die gewünschten Blendenwerte für maximale Schärfentiefe ausnutzen. Die daraus entstehenden langen Verschlusszeiten machen eine ruhige Kamerahaltung nötig. Zudem können Sie mit dem Stativ den Bildausschnitt und die hyperfokale Distanz sehr exakt bestimmen.

hyperfokale Distanz in der Landschaftsfotografie
hyperfokale Distanz in der Landschaftsfotografie: Brissago bei Nordföhn, Nikon D5600, Nikkor f/2.8 24 mm, 26 mm KB, 1/160s, f/8, ISO 250, Polarisationsfilter

In welchen Motivbereichen macht die hyperfokale Distanz Sinn?

  • Landschaftsfotografie: Vorder- und Hintergrund scharf abbilden.
  • Architekturfotografie: Nahe und weiter entfernte Details scharf abbilden.
  • Streetfotografie: Vorfokussieren, um schnell reagieren zu können und ein scharfes Hauptmotiv zu erhalten.
  • Naturfotografie: Den Lebensraum der Tiere mit Vorder- und Hintergrund scharf abbilden.

Hyperfokale Distanz mit dem Smartphone?

Da die Smartphone-Kameras einen sehr kleinen Sensor eingebaut haben, ist die Schärfentiefe bereits sehr gross. In der Regel reicht es, auf ein bildwichtiges Motiv den Fokus zu legen und die Schärfe im Vorder- und Hintergrund wird erreicht.

Am Lago Maggiore Richtung Gamborogno
Am Lago Maggiore Richtung Gamborogno, Huawei P20 Pro, 27 mm KB

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