Streetfotografie ist ein sehr anspruchsvolles Gebiet der Fotografie. Sie müssen oft blitzschnell entscheiden, welchen Ausschnitt Sie wählen und Sie bewegen sich, je nach Motiv, rechtlich auf dünnem Eis. Wenn Sie Streetfotografie einmal eine Weile ausprobiert haben, werden Sie es lieben…
Streetfotografie ist Fotografieren im öffentlichen Raum. Sie dokumentiert das alltägliche Leben, ohne dass Situationen gestellt werden. Zwischen Fotograf und fotografierte Personen gibt es vor der Aufnahme keinerlei Kommunikation. Streetfotografie soll, ja muss spontan sein.
Ideal für die Streetfotografie ist eine möglichst unauffällige, eher kleine Kamera. Das hat den Vorteil, dass Sie viel weniger auffallen und sich so länger unbemerkt bewegen können. Mit einer grossen Spiegelreflexkamera fallen Sie auf und werden schnell in die Reporter-Kategorie abgelegt. Die Leute haben Angst, dass ihr Bild morgen in der Zeitung kommt.
Ideal ist eine Kompaktkamera oder eine kleine Systemkamera. Die Kamera sollte schnell betriebsbereit sein und eine kurze Auslöseverzögerung aufweisen. Sonst verpassen Sie die Hälfte Ihrer guten Augenblicke. Aus diesem Grund sind Smartphones weniger geeignet.
Verwenden Sie eine Festbrennweite von 24, 35 oder 50 mm oder ein Zoom in diesem Brennweitenbereich. Eine feste Brennweite hilft, den Blick für den Ausschnitt zu schulen. 35 mm an einer Halbformatkamera und 50 mm an einer Vollformatkamera entsprechen etwa unserem Sehwinkel, was die Komposition des Bildes ohne Kamera am Auge vereinfacht.
Sie können aber auch die Spiegelreflex- oder Systemkamera mit einer Festbrennweite von 24, 35 oder 50 mm bestücken. Damit ist sie noch nicht so sperrig wie eine mit einem grossen Kit-Zoom.
Manchmal hilft es, wenn die Kamera einen klappbaren Live-View-Bildschirm aufweist. So können Sie unbemerkt fotografieren und auch mal exotische Perspektiven (Kamera auf den Boden legen) ausprobieren.
Mit einer Festbrennweite von 35 mm sind Sie bei der Streetfotografie – Kleinbildsensor vorausgesetzt – sehr nahe am Motiv – das widerspiegelt sich auch in den Bildern, die Sie damit machen. Fotografieren Sie mit einer leichteren APS-C-Kamera, empfehle ich Ihnen eine Brennweite von 24 mm. Diese wird durch den Crop-Faktor zu einer 36-mm-Linse.
Unter den Bildern finden Sie jeweils die Daten über die verwendete Ausrüstung und die Kameraeinstellungen. Sie werden feststellen, dass ich mit ganz unterschiedlichen Objektiven und Kameras unterwegs bin. So ist, wenn Sie Distanz halten wollen oder überbrücken müssen, eine längere Brennweite von Vorteil.
In der Streetfotografie mit den stark ändernden Lichtverhältnissen arbeiten Sie am besten mit der Kamera-Automatik. Wechseln Sie in den manuellen Modus, wenn Sie zum Beispiel mit dem Verwischeffekt arbeiten oder gezielt eine Unschärfe setzen wollen.
Viele schwören auf die Programmautomatik P mit Gesichtserkennung. So können Sie sich auf Ihr Motiv konzentrieren.
Alternativ wählen Sie die Zeitautomatik A/Av, blenden um zwei Stufen ab (zum Beispiel von f/2.8 auf f/4 und f/5.6 = zwei Stufen) und stellen die ISO-Automatik mit einer Mindestverschlusszeit von 1/100s ein. Bei Festbrennweiten und Offenblende wird der Schärfentiefenbereich so klein, dass es in der Streetfotografie schwierig wird, das Hauptmotiv scharf abgebildet zu haben. Zudem erreichen Sie mit dem Sweet-Spot durch zweifaches Abblenden meist die beste Abbildungsqualität eines Objektivs.
Stellen Sie die Schärfe an einer 24 oder 35 mm-Linse auf vier oder fünf Meter ein und schalten Sie den Autofokus aus. So können Sie auch mal einen Schnappschuss machen.
Stellen Sie Ihre Kamera im Kreativ-Modus auf Schwarz-Weiss. Erhöhen Sie dort den Kontrast und die Schärfe. So haben Sie – auch bei Aufnahmen mit dem RAW-Format – immer eine gute Vorschau, um abzuschätzen, wie die Tonwerte wirken.
Meist wirken Bilder der Streetfotografie Schwarz-Weiss am besten. In den Städten sind so viele Farben vorhanden, dass diese schnell ablenken können. Farben können gut für Akzente in der Streetfotografie eingesetzt werden.
Es kann Spass machen, mal nach roten, orangen, gelben Motiven Ausschau zu halten und diese zu sammeln.
Wenn Sie bewegte Motive aufnehmen wollen, stellen Sie an der Kamera den Serienbildmodus ein. Aus der Serie wählen Sie dann den optimalen Moment aus.
Ich fotografiere Street gerne mit der Nikon D5600 und dem Nikkor f/2.8 24 mm oder Nikkor f/1.8 35 mm. Wenn es etwas schwer geht mit der Nikon D750 und der f/1.8 50 mm- oder f/1.8 35 mm – Linse. Da kann ich blitzschnell reagieren. Mit der viel unauffälligeren Sony DSC RX100iv geht das in der Regel nicht so schnell. Dafür ist die Bildqualität dieser Kompaktkamera einer Halbformatkamera fast ebenbürtig.
Stellen Sie die Matrixmessung ein. Sie berücksichtigt die grösste Fülle an Belichtungssituationen.
Wenn Sie sich völlig von den möglichen Einstellungen der Kamera lösen und auf den richtigen Moment konzentrieren wollen, stellen Sie den Autofokus ein, die ISO-Automatik auf einen Bereich von ISO100 bis 1600, die längst mögliche Verschlusszeit auf 1/50 s (bei einer f/1.8 50mm-Linse) und die Blende in Zeitautomatik A/Av auf f/2.8 oder f/4 (wenn Sie gerne eine kleine Schärfentiefe haben wollen). Nun erhöht die Kamera-Automatik den ISO-Werte erst, wenn bei der eingestellten Blende eine Verschlusszeit länger als 1/50s errechnet würde. So haben Sie für fast alle Lichtverhältnisse die richtige Einstellung.
Streetfotografie und Recht
Dieses Thema wird im Netz sehr kontrovers diskutiert. Viele ärgern sich, dass die Leute – wenn sie auf der Strasse fotografiert werden – übersensibel reagieren würden. Es war aber noch nie so einfach, ein Bild in Kürze auf der ganzen Welt zu verbreiten – wie das heute mit den sozialen Medien möglich ist. Deshalb finde ich persönlich die Frage um das Recht in Ordnung. Unsere Kinder haben wir auch sensibilisiert, was mit Bildern alles gemacht werden kann. Dass soll Sie aber nicht davon abhalten, tolle Szenen auf der Strasse abzulichten.
Das heisst nicht, dass Sie gar niemanden fotografieren sollen. Wichtig ist, dass Sie sich bewusst sind, dass erkennbare Personen das Recht haben, Sie zum Löschen des Bildes aufzufordern. Wenn Sie ein Bild sogar verkaufen wollen, müssen Sie das schriftliche Einverständnis der Person/en haben, wenn diese auf dem Bild klar identifizierbar ist.
Natürlich gibt es auch viele tolle gestalterischen Möglichkeiten, Personen abzubilden, die aber nicht erkennbar sind – ohne dass Sie über die Augen ein schwarzes Band legen müssen…
Fotografieren Sie gegen das Licht. Silhouetten wirken immer toll, weil Details verschwinden und die Form wichtiger wird.
Schneiden Sie Personen an oder nehmen Sie knappe Ausschnitte auf. Das Gesicht muss nicht auf jedem Motiv erkennbar sein, um ein Bild wirken zu lassen.
Fotografieren Sie die Personen von hinten – aber haben Sie auch den Mut, die Menschen von vorne zu fotografieren.
Machen Sie Aufnahmen mit einer etwas längeren Verschlusszeit. Die Menschen sind dann im Bild gut erkenn-, aber kaum mehr identifizierbar.
Es ist wichtiger, zu beobachten, als auf den Auslöser zu drücken. Sie können auch ohne Kamera Ihren Blick schulen und auf dem Arbeitsweg beobachten, welche Situationen sich für die Streetfotografie eigenen würde. Mit der Zeit bekommen Sie ein Auge dafür.
In der Streetfotografie müssen Sie blitzschnell entscheiden können und abdrücken. Man kann hier aber nicht von Schnappschüssen sprechen, da das Motiv ja meist etwas geplant ist: Sie sehen ein tolles Plakat und warten, bis die passende Person daran vorbeiläuft. Oder Sie warten an einer guten Stelle, bis die passende Person den passenden Schatten wirft.
Nehmen Sie sich Zeit und bleiben Sie an einem Ort eine Weile stehen. Sehr effizient sind Bushaltestellen, Bahnhöfe, Einkaufspassagen. Da treffen Sie immer auf viele Leute und Sie selber fallen weniger auf.
Versuchen Sie herauszufinden, was in der nächsten Zeit passieren könnte, damit Sie für diesen Fall mit Ihrer Kamera bereit sind.
Lernen Sie die Umgebung beobachten.
Sie sollten mit den Bildgestaltungsmöglichkeiten und deren Wirkung gut vertraut sein. Mehr darüber im Workshop Bildgestaltung.
Suchen Sie sich einen passenden Hintergrund für eine interessante Szene aus. Achten Sie darauf, dass keine störenden Objekte im Hintergrund ablenken. Stellen Sie Schärfe und Belichtung perfekt ein. Machen Sie allenfalls eine Probeaufnahme. Warten Sie, bis Passanten ins Bild laufen und drücken Sie ab.
Halten Sie Ihre Kamera auch mal etwas schräg oder diagonal. Experimentieren Sie!
Gehen Sie nahe heran. Ausschnitte wirken oft besser als Ãœbersichten. Zu viele Details lenken den Blick vom Hauptmotiv ab. Lernen Sie Ihr Motiv isolieren.
Wenn Sie abends fotografieren, achten Sie auf besondere Lichtquellen, welche die Personen beleuchten können: Schaufenster, Strassenlampen, Leuchtreklamen usw.
Ãœben Sie regelmässig. Wenn Sie einmal unterwegs sind – und dann für Monate nicht mehr – wird sich kaum eine Entwicklung oder ein Erfolg einstellen. Das regelmässige Ãœben verhilft Ihnen zu einem schärferen fotografischen Blick und Sie lernen, die Besonderheiten im gewöhnlichen Stadt-Alltag zu entdecken.
Schauen Sie sich Aufnahmen von Street-Fotografen an und lassen Sie sich davon inspirieren. Es geht nicht darum, dass Sie diese Bildideen kopieren – was meist auch kaum möglich ist – sondern dass Sie für sich eine „Ideensammlung“ erhalten, auf was Sie achten könnten.
Experimentieren Sie mit verschiedenen Formaten: 16:9, 4:3, 3:2, 1:1, 5:2….
Für die Streetfotografie benötigen Sie nicht die teuerste und beste Ausrüstung. Ein Fotoapparat mit einem 24 -, 35- oder 50 mm-Objektiv (die gibt es für knapp 200 Euro neu oder billiger gebraucht) reicht vollkommen. Zum Ausprobieren ist jede Kamera oder Ihr Smartphone geeignet.
Wichtiger als Schärfe bis in den letzten Randpixel ist das Auge für den Bildausschnitt und den Moment.
Gehen Sie immer wieder die gleiche Tour. Sie werden überrascht sein, wie sich der Ort, das Licht, die Motive ändern.
Drücken Sie auch mal ab, ohne durch den Sucher zu schauen.
Halten Sie die Kamera bei der Streetfotografie am Auge und beobachten Sie so den Besucherstrom. Schauen Sie sich die gemachte Aufnahme nicht gleich am Display an, sondern halten Sie die Kamera weiterhin am Auge. Das ist viel unauffälliger.
Vermeiden Sie nach einer Aufnahme Blickkontakt. Das macht die Menschen unsicher.
Treten Sie ruhig auf. Machen Sie, wenn möglich, das gleiche wie die anderen Leute.
Bewegen Sie sich eher am Rand als in der Mitte.
Nehmen Sie einen Kollegen, eine Kollegin mit. Beschäftigen Sie sich mit dieser Person.
Suchen Sie sich eine Stelle, an der Sie die tief stehende Sonne im Rücken haben. Sie werden viel weniger auffallen, da das Licht die entgegenkommenden Passanten blendet.
Werden Sie angesprochen, können Sie eine passende Antwort bereit haben: „Ich probiere eine Kamera einer Kollegin aus.“
Zeigen Sie, falls jemand aufdringlich wird, das Bild. Löschen Sie es, falls es zu Diskussionen kommen könnte, aber machen Sie auch von der Möglichkeit Gebrauch, der fotografierten Person das Bild zukommen zu lassen.
Streetfotografie ist ein sehr anspruchsvolles Gebiet der Fotografie. Sie müssen oft blitzschnell entscheiden, welchen Ausschnitt Sie wählen und Sie bewegen sich, je nach Motiv, rechtlich auf dünnem Eis. Wenn Sie Streetfotografie einmal eine Weile ausprobiert haben, werden Sie es lieben…
» Online Fotokurs – kompakt und schnell fotografieren lernen
Was ist Streetfotografie?
Streetfotografie ist Fotografieren im öffentlichen Raum. Sie dokumentiert das alltägliche Leben, ohne dass Situationen gestellt werden. Zwischen Fotograf und fotografierte Personen gibt es vor der Aufnahme keinerlei Kommunikation. Streetfotografie soll, ja muss spontan sein.
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Welche Kamera eignet sich für Streetfotografie?
Unter den Bildern finden Sie jeweils die Daten über die verwendete Ausrüstung und die Kameraeinstellungen. Sie werden feststellen, dass ich mit ganz unterschiedlichen Objektiven und Kameras unterwegs bin. So ist, wenn Sie Distanz halten wollen oder überbrücken müssen, eine längere Brennweite von Vorteil.
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Streetfotografie – unauffällig bleiben
Oder wie der grosse Fotograf Henri Cartier-Bresson treffend meinte:
„Man braucht nur ganz bescheidene Mittel, um das Maximum herauszuholen: Einen Apparat und ein Objektiv. Das Leben packen – und festhalten.“
» Henri Cartier-Bresson (artnet.de)
Dieser Artikel ist Teil des über 600 Seiten starken Digitipps eBook.
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